In Heft 03/2016 der Jagdzeitschrift „Die Pirsch“ äußerte sich Herr Dieter Hupe zu der in Schleswig-Holstein derzeit erlaubten Methode bei der Einarbeitung von Jagdgebrauchshunden im Bereich der Wasserarbeit. Anlässlich der Präsidiumssitzung des JGHV am 07.02.2016 wurde unser Ehrenpräsident Christoph Frucht gebeten, einen Artikel für den „Der Jagdgebrauchshund“ zu schreiben. Die Mitglieder des Präsidiums des JGHV stehen geschlossen hinter diesem Artikel. Unser Dank gilt unserem Ehrenpräsidenten für die kompetenten, an der Jagd- und Prüfungspraxis orientierten klaren Worte.
Für das Präsidium, Friedhelm Röttgen

 

UND IRGENDWANN IST’S EINFACH GUT....
„Genauer hinschauen und ohne Vorurteile bewerten“
In Heft 03/2016 der Jagdzeitschrift „Die Pirsch“ äußert sich Herr Dieter Hupe zu der in Schleswig-Holstein derzeit erlaubten Methode bei der Einarbeitung von Jagdgebrauchshunden im Bereich der Wasserarbeit.

Im Jagdgesetz ist zur Verwendung von Jagdgebrauchshunden bei der Jagdausübung (z.B. BayJG. Art. 39, Abs.1) ausgeführt: „Bei jeder Such-, Drück-, Riegel- oder Treibjagd, sowie bei jeder Jagdart auf Wasserwild sind brauchbare Jagdhunde in genügender Zahl zu verwenden. ....“ Ähnlich oder gleichlautend sind die Bestimmungen in anderen Bundesländern gefasst. Nun ist für das Landtier Hund das Wasser zunächst einmal nicht unbedingt der übliche Lebensraum. Selbstverständlich sind Jagdgebrauchshunde aber so lernfähig, dass sie, bei entsprechender Einarbeitung und Übung, auch mit dem Element Wasser bestens zurechtkommen und auch dort all‘ ihre besonderen Fähigkeiten bei entsprechenden Reizen sicher einsetzen können. Aber: dies zu lernen und so zu üben, dass sie auch im Wasser, wie zu Lande, sicher eine Duftspur verfolgen können, bedarf besonderer Einarbeitung und Übung. Learning by Doing! Zunächst einmal ist sicheres Schwimmen im offenen Wasser wichtig, und später dann in Gewässern mit Schilf- und/oder auch Schlingpflanzen.
Leider gibt es in Deutschland tatsächlich völlig unterschiedliche Möglichkeiten, einen Jagdgebrauchshund im Wasser einzuarbeiten, wie Dieter Hupe richtig beschreibt. Unsere Heimat ist eben doch sehr unterschiedlich strukturiert. Das ist reizvoll und schön, kann, wie in diesem Fall, aber auch gelegentlich Schwierigkeiten bei der Auswahl an Gewässern aufwerfen.

Feindvermeidungsverhalten
„Feindvermeidungsverhalten“ ist für Wassergeflügel natürlicher, alltäglicher und daher lebensüblicher „Stress“, den die „Betroffenen“, also vornehmlich die Enten und Gänse, gar nicht als solchen empfinden. In der Natur gibt es häufig für unser Wassergeflügel Verfolgungssituationen. Sei es von der „Unterwasserseite“, dass ein starker Raubfisch z.B. die Entenküken raubt, oder sämtliches Raubwild, wie Fuchs, Waschbär, Iltis, Marder, oder auch freilaufende Hunde der erholungssuchenden Bevölkerung, oder durchaus auch der eine oder andere Greifvogel dem Wasserwild nachstellt. Während des Gefiederwechsels, der „Mauser“, sind Enten für einen Zeitraum von mehreren Tagen ganz natürlich flugunfähig. Unsere Altvorderen nutzten diese flugunfähigen Rauerpel dazu, ihre Hunde für die Wasserwildjagd vorzubereiten. Mit der Änderung der Jagdzeiten entfiel diese Einarbeitungsmethode und die Jäger und Jagdgebrauchshundeführer fanden in der „Müller – Methode“ einen nahezu gleichwertigen Ersatz.
Bisher war die Einarbeitung der Jagdgebrauchshunde nach der sogen. „Müller Methode“ (benannt nach Prof. Paul Müller) in fast in allen Bundesländern möglich. Leider haben sich inzwischen einige Bundesländer, unter Mißachtung der praktischen Erfahrung unseres Dachverbandes, des JGHV, von dieser bewährten Methode verabschiedet und so gibt es in Schleswig Holstein und Nordrhein – Westfalen nur noch die Möglichkeit der Einarbeitung an der flugfähigen Ente. Diese Entscheidung ist ausnahmslos politisch motiviert und dient den regierenden Parteien zur Befriedigung ihres Wählerklientels! Sie ist sachlich falsch! Eine vollflugfähige Ente verhält sich anders als eine in der Fortbewegung kurzzeitig behinderte Ente. Krankes Wasserwild versucht sich durch „Drücken, Davonschwimmen und Tauchen“ seinem Verfolger zu entziehen. Dies und nichts anderes, wird durch die mit einer Papiermanschette vorübergehend flugunfähig gemachte Ente unter kontrollierten Bedingungen simuliert. Findet der Hund die derart „behandelte“ Ente nicht, streicht die Ente gesund davon. Um die Schleswig–Holstein Methode richtig betrachten zu können, halte ich es zunächst für nötig, die Grundlagen der Wasserprüfungsordnung des JGHV mit der jagdlichen Praxis im Bereich der Jagdmöglichkeiten auf Wassergeflügel zu vergleichen.

Welche Jagdarten sind bekannt und werden ausgeübt:
a) Die Bejagung auf dem Enten- oder Gänsestrich.
Diese erfolgt vorwiegend am Abend (=Abendstrich) oder am Morgen (= Morgenstrich). Darüber hinaus ist bekannt, dass Enten und Gänse auch tagsüber streichen. So von den Ruheplätzen (Liegeplätzen) zu Äsungsplätzen und umgekehrt, als auch zwischendurch ans oder vom Wasser. Die Arbeit des Hundes dabei erfolgt sofort nach Schußabgabe. Also keinesfalls erst nach Stunden, sondern unmittelbar während oder nach der Jagd. Dann wird der Hund aufgefordert, die erlegten Enten/Gänse zu suchen und zu bringen. Dies entspricht dem Prüfungsfach „Verlorensuche im tiefen Schilfwasser“, wobei in der Jagdpraxis, dies durchaus nicht immer tiefes Schilfwasser sein muß. Eine Ente/Gans kann auch durchaus außerhalb Wassers verendet fallen und muß z.B. aus dem Ufergestrüpp oder hohem Gras einer Wiesenfläche gesucht werden. Aber, der Hund muß sich Wind holen und suchen wollen, weil er weiß, nur so kommt er zum Erfolg.

b) Bejagung des Wassergeflügels an einem stehenden oder fließenden Gewässer mit deckungsgebendem Pflanzenbewuchs.
Hierbei werden die Hunde aufgefordert, die Deckung zu durchsuchen und die sich dort drückenden Enten aufzujagen, so dass sie von den Schützen, die um diese Deckungsfläche angestellt sind, u.U. beschossen werden können. Dies entspricht dem Prüfungfach „Stöbern ohne Ente“, da ja zunächst gar nicht sicher ist, dass in der zu bejagenden Deckung sich auch Enten drücken. Der Hund sucht bei dieser Jagdart die Entenwitterung und schwimmt auf diese zu, bis die Enten vor dem sich nähernden Hund abstreichen.
Ein erfahrener Hund wird sich also unter Wind der Deckung nähern, um dann, wenn er mit „hoher Nase“ - auch wenn diese auf dem Wasser liegt - Witterung wahrnimmt, auf diese zuschwimmen, um die Enten/Gänse zum Abstreichen zu bewegen. Auch bei dieser Jagdart wird sofort nachgesucht und nicht erst Stunden später.
Bei der „Arbeit nach dem Schuss“ ist ein Jagdgebrauchshund gefragt, der mit den „Tricks“ einer in der Fortbewegung behinderten Ente fertig wird und sich nicht abhängen lässt bei der Verfolgung nur dieser einen Ente/Gans.


Die Praxis lehrt eine auf dem abendlichen Entenstrich beschossene Ente fällt z.B. in die Wiese, das Gestrüpp neben dem Wasser. Nur ein Hund kann sie finden, denn zu dieser Zeit ist es meist dämmrig und der hundeführende Jäger kann nur schwer die Umgebung erkennen. Liegt diese Ente irgendwo verendet, wird sie der Hund mehr oder weniger leicht finden und seinem Führer zutragen. Ist sie nicht verendet, wird sie versuchen zu fliehen. In einer Wiese und/oder einem Gestrüpp oder krautigen Gesträuch erkennt der Hund diese Witterung relativ leicht, kann ihr folgen, die Ente einholen, greifen und dem Führer zutragen.
Erreicht die kranke Ente aber das Gewässer, dann wird es schon erheblich schwieriger, denn jetzt kann dieser Vogel seine volle Überlegenheit im Wasser ausspielen. Er wird im Wasser rasch eine Deckung suchen. Unter Umständen überwindet er dabei die offene Wasserfläche tauchend. Damit ist dem Hund zunächst die Möglichkeit Witterung aufzunehmen nicht mehr möglich. Der unerfahrene, nicht entsprechend ausgebildete, Hund ist dann „ratlos“. Ein erfahrener Hund hat erlebt, dass eine Ente u.U. tauchen kann und er um die Stelle, wo die Witterung plötzlich aufhört, nun in immer größer werdenden Kreisen suchen muß, um wieder an diese Witterung heranzukommen. Er weiß aus Erfahrung, dass eine Ente, die getaucht ist, wieder auftauchen muß und man sich nur geduldig um diese „Auftauchstelle“ suchend bemühen muß! Das Verhalten einer in der Fortbewegung behinderten Ente ist anders als das einer nicht behinderten Ente. Auch dies weiß der entsprechend ausgebildete Hund.
Im fliessenden Wasser ist die Witterung oft schwer zu finden, weil sie sich dort nicht hält. Der Jagdgebrauchshund muß häufig die Ufer beidseitig absuchen, wo die Ente ausgestiegen oder eingestiegen ist. Eine Situation, die dem Verhalten der tauchenden Ente gleicht. All‘ dies muß ein Jagdgebrauchshund erlebt und erlernt haben, um dann erfolgreich weiterarbeiten zu können. Hierzu ist die Einarbeitung an der lebenden, aber in der Fortbewegung kurzzeitig behinderten Ente, (durch eine Papiermanschette, die sich innerhalb von wenigen Minuten löst = „Müller Methode“) von zentraler Bedeutung und durch nichts zu ersetzen!
Die Schleswig - Holstein Methode sieht eine kurzfristige Flugbehinderung der Ente nicht vor. Sie ist allenfalls eine Methode zur Einarbeitung eines Jagdhundes vor dem Schuss. Prüfungsmäßig und damit u.a. auch züchterisch relevant wird sie erst, wenn bei Abschluß der Arbeit die Ente versehentlich krank geschossen wird. Erst dann können wir erkennen, ob der Hund die Strategie der Feindvermeidung kennt oder ob er im schlimmsten Fall sogar wildscheu ist. Wollen wir das wirklich? Die Müller Ente ist gesund und die Arbeitsbedingungen sind jederzeit kontrollierbar. Welche Vorstellungen von Tierschutz muss man haben, um in Kenntnis dieser Umstände, der Schleswig – Holstein Ente das Wort zu reden?


Und irgendwann ist’s einfach gut....
Der reine Umstand, dass ich Ehrenpräsident des JGHV bin, muss nicht zwingend etwas mit einem Übermaß an Sachverstand in allen Punkten der Jagd zu tun haben. Das mag sein. Ein erfülltes Jägerleben, in dem mir das Glück zuteil wurde, über viele, viele Jahre die Jagd auf Wasserwild auszuüben, hat mich aber als Jäger gelehrt, was sinnvoll und möglich ist. Ich und viele andere, durchaus in der Sache noch weit mehr erfahrene Jagdgebrauchshundeführer haben uns die Methode „Schleswig – Holstein“ angesehen, selbst probiert und als, für ernsthafte Ausbildung, völlig untauglich verworfen.
Ich bin es zunehmend leid, mir von Personen, denen es ganz offensichtlich nur um das Bestehen von Prüfungen geht, ganz egal ob diese etwas für die Jagd und die Zucht aussagen oder nicht, vorwerfen zu lassen, dass ich, genauso wie viele andere Jägerinnen und Jäger, denen der Respekt vor der Kreatur den Wunsch nach einem wirklich gut ausgebildeten Hund „abnötigt“, keine Ahnung von „Alternativen Methoden“ habe. Mir jedenfalls reicht’s! Ich bin nicht gewillt, mir immer und immer wieder von Leuten, denen ganz offensichtlich wesentliche Erkenntnisse rund um Jagd und Hund abhanden gekommen sind, derlei Blödsinn anhören zu müssen!
Fragen bleiben
Warum eine große deutsche Jagdzeitschrift und ein ehemaliger Mitarbeiter des Landesjagdverbandes Nordrhein–Westfalen als Autor uns derartige Eier ins Nest legt? Ich weiß es nicht. Sachverstand und Liebe zur Jagd kann es jedenfalls nicht sein....

Christoph Frucht, Ehrenpräsident des JGHV